Über VdG
Was sind Variationen der Geschlechtsmerkmale (VdG)?
Bis zu 1,7% der Bevölkerung1 werden mit Geschlechtsmerkmalen geboren, die nicht den medizinischen oder sozialen Normen von weiblichen oder männlichen Körpern entsprechen.
Eine VdG kann sowohl primäre Geschlechtsmerkmale (innere und äußere Genitalien, Keimdrüsen und deren Funktionen wie zB Menstruation oder Samenproduktion) betreffen als auch sekundäre Geschlechtsmerkmale (Behaarung, Muskeln, Körpermasse, Brustentwicklung, Stimme und Statur) und/oder chromosomale Strukturen und/oder Hormonsysteme.
Eine VdG kann in der Schwangerschaft, unmittelbar nach der Geburt, in der Pubertät oder auch erst viel später erkannt werden. Viele Menschen mit VdG werden sich auch gar nicht bewusst darüber, dass eine VdG vorliegt.
Solange mit einer VdG keine (körperlichen/psychischen/sozialen) Probleme verbunden sind, ist es auch völlig in Ordnung, sich nicht damit auseinanderzusetzen. Falls doch Unstimmigkeiten auftauchen, ist es aber gut, wenn Sie wissen, dass Sie sich an uns wenden können!
Welche Überbegriffe werden verwendet?
In der Medizin werden heute die Begriffe DSD (Disorders bzw. Differences of Sex Development) oder Varianten der Geschlechtsentwicklung als Überbegriffe für zahlreiche unterschiedliche Diagnosen verwendet – es geht hier vor allem um körperliche Aspekte und Möglichkeiten.
In sozialwissenschaftlichen oder menschenrechtlichen Diskursen wird eher von Intergeschlechtlichkeit, Inter* oder Variationen der Geschlechtsmerkmale gesprochen – es geht hier vor allem um die gelebte Erfahrung der sozialen Konsequenzen, mit einer Variation der Geschlechtsmerkmale geboren zu sein.
Darüber hinaus werden auch noch die Begriffe Intersexualität bzw. intersex (im englischen bzw. international üblich) verwendet.
Welche medizinischen Diagnosen gibt es?
Sehr viele!
Oft wird bei der Übermittlung einer Diagnose auch nicht erklärt, dass es Gemeinsamkeiten mit anderen VdG-Diagnosen gibt – sondern es wird die Seltenheit der einzelnen Diagnose betont. Dadurch wird es schwieriger, den Austausch mit anderen zu suchen, auch wenn durch viele Gemeinsamkeiten in den Lebensrealitäten eine gegenseitige Unterstützung möglich wäre.
Es folgt eine „unvollständige Liste von Diagnosen, Syndromen und Symptomatiken, die selternere Entwicklungsformen körperlicher Geschlechtsmerkmale darstellen bzw. mit solchen einhergehen“2. Neben diesen gibt es auch noch viele veraltete Diagnosen wie (Pseudo-)Hermaphoditismus oder testikuläre Feminisierung u.a. – also auch wenn Sie eine Diagnose hier nicht finden, kann es trotzdem eine VdG-Diagnose sein.
- Aarskog-Syndrom
- AGS (Adrenogenitales Syndrom)
- Alström-Syndrom
- Androgenbiosynthesestörungen (z.B. 17ß-HSD, 5a-Reduktase, StAR, 3ß-HSD)
- Androgenresistenz unterschiedlichen Ausmaßes (PAIS, CAIS)
- Anorchie
- Aromatasemangel
- Börjeson-Forssman-Lehmann-Syndrom
- CHARGE-Syndrom
- Chimärismus
- DAX1-Mutation bzw. -Duplikation
- Diäthylstilböstrol(DES)-induzierte Formen
- Duogynon-induzierte oder durch andere Gestagene induzierte Formen
- Epispadie
- Blasen-Ekstrophie
- Fröhlich-Syndrom
- gemischte Gonadendysgenesie
- Gordan-Overstreet-Syndrom
- Gynäkomastie
- Hirsutismus unklarer Ursache
- Hodenhochstand
- Hypogonadismus
- Hypophysenvorderlappeninsuffizienz
- Hypospadie
- Kallmann-Syndrom
- Kennedy-Syndrom
- Klinefelter-Syndrom
- Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom
- Leydigzell-Hypoplasie
- Meacham-Syndrom
- MRKH und MURCS
- Ovotestikuläre Intersexualität
- Polyzystisches Ovarien-Syndrom (PCOS)
- persistierende Müller-Strukturen
- Penis-Agenesie
- Poland-Syndrom
- Prader-Willi-Syndrom
- Sertoli-only-Syndrom
- SF1-Mutation
- Smith-Lemli-Opitz-Syndrom
- SOX9-Mutationen
- 46,XX sex reversal (u.a. SRY+, SOX9-Dup.)
- StAR-Defekt
- Swyer-Syndrom
- Turner-Syndrom
- WT1-Mutationen (u.a. Denys-Drash-, Frasier-, WAGR-Syndrom)
- XX-Gonadendysgenesie
- XXX-Syndrom
- XYY-Syndrom
Wie können Eltern ihre Kinder unterstützen?
Viele Eltern sind verunsichert, wenn sie erfahren, dass ihr Kind mit einer Variation der Geschlechtsmerkmale geboren wurde. Sie möchten Ihr Kind bestmöglich unterstützen? In dieser Broschüre gibt es Antworten auf häufige Fragen, Tipps im Umgang mit ihrem Kind und dem erweiterten sozialen Umfeld und Hinweise zu Beratungsmöglichkeiten:
Hebammen als Schlüsselfiguren für intergeschlechtliche Neugeborene
Aus unserer Sicht können Hebammen eine Schlüsselfunktion haben, wenn es um den Schutz von intergeschlechtlich Neugeborenen bzw. Neugeborenen mit Variationen der Geschlechtsmerkmale und deren Eltern geht.
Diese Broschüre richtet sich an Hebammen, ist aber für alle Menschen, welche sich mit der Thematik auseinandersetzten, interessant.
Die hier abgebildeten Broschüren können gerne bei uns bestellt werden. Wir freuen uns über eine Spende zur Übernahme der Versandkosten an unseren Trägerverein!
1Anne Fausto-Sterling
2 vgl. Katzer (in Katzer/Voß (Hg): Geschlechtliche, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung, Gießen 2016)